Prostatakrebs bei Verwandten erhöht das eigene Risiko
Je mehr Verwandte ersten Grades (Vater, Brüder) ein Prostatakarzinom haben oder hatten und je jünger sie bei der Diagnosestellung waren, desto eher wird ein Mann ebenfalls daran erkranken, so eine neue Untersuchung.
Es ist bekannt, dass 10-20% aller Fälle von Prostatakrebs gehäuft innerhalb von Familien auftreten, also bei Verwandten ersten und zweiten Grades (familiäres Prostatakarzinom). Etwa die Hälfte davon gilt als erblich bedingt, wenn mehrere erstgradig Verwandte oder mehrere Generationen in Folge betroffen sind. Für die andere Hälfte können andere Faktoren wie ähnliche Lebensumstände verantwortlich sein (s. auch Ursachen des Prostatakarzinoms).
Männer, deren Brüder und/oder Väter an einem Prostatakarzinom erkrankt sind oder waren, sollen auf das mehr als zweifach erhöhte Risiko aufmerksam gemacht werden, im Laufe ihres Lebens ein Prostatakarzinom zu entwickeln, so die deutsche S3-Leitlinie für Ärzte zur Früherkennung, Diagnose und Therapie des Prostatakarzinoms (s. hierzu auch: Neue Prostatakrebs-Leitlinie). Danach beträgt das relative Risiko 2,5-4,3 für jeden erstgradigen Verwandten. Das Risiko steigt zudem umso mehr, je jünger, je enger verwandt und je zahlreicher die betroffenen Angehörigen sind oder waren.
Hierfür liefert jetzt eine neue Untersuchung genauere Zahlen. Darin sollte bestimmt werden, wie hoch das altersgemäße Erkrankungs- und Sterberisiko für Prostatakrebs ist, und zwar in Abhängigkeit vom Alter und von der Zahl der betroffenen Verwandten ersten Grades. Dazu werteten die Autoren das schwedische Register für familiäre Krebsfälle aus. Unter mehr als 11,8 Mio. Einträgen fanden sich zwischen 1961 und 2006 26.651 Prostatakrebsfälle, von denen 5.623 familiär waren. Als Kenngröße des Risikos diente die aus den Daten berechnete HR (engl. hazard ratio, „Risikoerhöhung“).
Die Ergebnisse waren zum Teil deutlicher als bisher bekannt. Das Risiko, an einem Prostatakarzinom zu erkranken, stieg mit der Zahl der betroffenen Angehörigen, sank aber mit zunehmendem eigenen Alter. Das höchste Risiko hatten Patienten unter 65 Jahren mit drei betroffenen Brüdern (HR über 23, Risiko also auf das 23fache erhöht im Vergleich zu Patienten ohne betroffene Angehörige). Das niedrigste Risiko hatten Patienten in der höchsten angegebenen Altersgruppe von 65 bis 74 Jahren, bei denen nur der Vater erkrankt war (HR knapp 1,8). Das Erkrankungsrisiko stieg außerdem um so mehr, je jünger die Angehörigen waren, als bei ihnen Prostatakrebs festgestellt wurde (bis HR über 6 bei Patienten unter 55 Jahren mit einem betroffenen Bruder oder Vater unter 60 Jahren). Das Risiko, an Prostatakrebs zu versterben, verhielt sich ganz ähnlich wie das Risiko, daran zu erkranken, wobei die Werte geringer und die Fallzahlen sehr niedrig waren.
Das höhere Erkrankungsrisiko könnte daher rühren, dass Männer, deren Verwandte von Prostatakrebs betroffen sind, früher oder häufiger zur Vorsorgeuntersuchung gehen als Männer ohne betroffene Verwandte. Dann wäre zu erwarten, dass in der ersten Gruppe mehr Tumoren in frühen Stadien entdeckt würden als in der zweiten Gruppe. Genau dies war hier aber nicht der Fall: Die Verteilung der Tumorstadien ab 2002 glich sich in beiden Gruppen. Dies und die Tatsache, dass die Prognose beim familiären und beim zufällig auftretenden Prostatakarzinom gleich sind, sprachen dafür, dass das höhere Sterberisiko einfach durch eine höhere Zahl der Erkrankten bedingt war.
Die Früherkennung von Prostatakrebs mittels PSA-Test kann zwar das Sterberisiko senken, erhöht aber die Zahl unnötiger Prostatabiopsien und Behandlungen (s. Früherkennung von Prostatakrebs). Deshalb wird es immer wichtiger, das Risiko von familiärem Prostatakrebs nach Zahl und Alter der betroffenen Verwandten genau einzuschätzen, so die Autoren. Die Ergebnisse dieser Studie helfen Männern mit einem erhöhten Risiko bei ihrer Entscheidung für oder gegen die Früherkennung und einen frühen Beginn derselben. Dies betrifft vor allem jene, bei denen ein erstgradiger Verwandter schon vor dem 65. Lebensjahr erkrankt ist, und solche mit mehreren betroffenen Verwandten.
Fazit der Autoren
Das Erkrankungs- und Sterberisiko für Prostatakrebs ist bei Männern enorm erhöht, deren Väter und/oder Brüder ebenfalls daran erkrankt sind oder waren. Es empfiehlt sich deshalb, die genannten Ergebnisse in die Beratung zur Früherkennung und im Erkrankungsfall einzubeziehen.
Brandt, A., et al.: Age-specific risk of incident prostate cancer and risk of death from prostate cancer defined by the number of affected family members. Eur Urol (2010), article in press, doi:10.1016/j.eururo.2010.02.002
DGU (Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V.; Hrsg.): Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Version 1.00, September 2009. Neueste Version verfügbar auf der Website der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V.) über die Seite dieser Leitlinie als PDF
Schmitz-Dräger, B.J., et al.: Risiken und Prävention des Prostatakarzinoms. Ein Kommentar zur neuen S3-Leitlinie. Urologe 2010; 49: 233-237
Rübben, H. (Hrsg.): Uroonkologie. 4. Auflage, Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2007
Zu den Risikofaktoren für Prostatakrebs in der Rubrik „Was ist Prostatakrebs?“ im Abschnitt unter Ursachen des Prostatakarzinoms
Zur Vorsorgeuntersuchung bei Prostatakrebs in der Rubrik „Früherkennung und Diagnose“ unter Früherkennung von Prostatakrebs
Zum familiären Prostatakrebs in der Rubrik „Weitere Infos“ im Abschnitt „Broschüren“ in der Broschüre „Die Prostatastanzbiopsie“