Grundlagen körperliche Aktivität

Körperliche Aktivität

Studien zeigen deutlich, dass körperliche Aktivität und Sportprogramme viele positive Effekte haben und die Patienten in zahlreichen Bereichen davon profitieren! Die wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, dass die körperliche Fitness zunimmt, die Müdigkeit und Erschöpfung abnehmen, Ängste und Depressionen reduziert werden und grundlegend eine Verbesserung der Lebensqualität zu beobachten ist. Patienten die an Prostatakrebs leidern können durch körperliche Aktivität den gewonnenen Jahren nun auch eine entsprechende Qualität schenken!

Allgemeine Ziele

Wir unterscheiden zunächst zwischen den allgemeinen und den speziellen Zielen bei Sport und körperlicher Aktivität mit Prostatakrebspatienten. Allgemein wird auf körperlicher Ebene das Herz-Kreislauf-System stabilisiert, allgemeine Kraft und Fitness aufgebaut und so auch die Alltagsaktivitäten erleichtert. Doch körperliche Aktivität wirkt auch auf der psychischen Ebene, indem neues Selbstvertrauen vermittelt wird und psychische Beeinträchtigungen wie z.B. Depressionen und Ängste überwunden werden können. Die Freude an Bewegung und das Wissen über den eigenen Körper gibt Kraft und hilft, sich aus einer möglichen durch die Krankheit entstandenen sozialen Isolation zu befreien.

Spezielle Ziele

Mit den speziellen Zielen werden jene Aspekte angesprochen, die vor allem bei Prostatakrebspatienten mit Hormontherapie verfolgt werden. Die Hormontherapie wird zwar generell gut vertragen, doch gibt es neben der eigentlichen Wirkung auch immer Nebenwirkungen bei Arzneimitteln. Typische Begleiterscheinungen eines Hormonentzugs sind Hitzewallungen, vermehrtes Schwitzen, verminderte Libido, Impotenz, aber auch Osteoporose, Muskelschwund, verminderte Leistungsfähigkeit etc.. Körperliche Aktivität kann zwar die Ursachen dieser Problematik nicht beseitigen – jedoch kann Bewegung viele der genannten Nebenwirkungen positiv beeinflussen, aufhalten und somit die Lebensqualität verbessern!

Körperliche Aktivität kann demnach:

  • Muskelschwund aufhalten
  • Osteoporose aufhalten
  • Hitzewallungen mindern
  • Leistungsfähigkeit verbessern
  • Psychisches Befinden stabilisieren/ verbessern

Voraussetzungen für das körperliche Training bei Prostatakrebspatienten

Der Verlauf einer Krebserkrankung und die körperliche und seelische Verfassung der Erkrankten sind individuell sehr unter-schiedlich. Deshalb ist es wichtig, vor Beginn eines Trainingsprogramms, den behandelnden Arzt aufzusuchen, um zunächst die Belastungsfähigkeit festzustellen. Mit ihm gemeinsam wird besprochen, unter welchen Bedingungen und in welchem Rahmen körperliche Aktivität durchgeführt werden kann. Grundsätzlich empfiehlt sich eine sportmedizinische Leistungsdiagnostik, bei der die Sporttauglichkeit getestet wird. Kardiologen führen dazu ein Belastungs-EKG durch.

Bewegungsempfehlungen – Allgemeine Empfehlungen für Ihre Alltagsaktivitäten

Nicht wenige onkologische Patienten haben durch die Krebsdiagnose im Alltagsleben ein deutlich reduziertes Aktivitätsniveau, obwohl sie sich durchaus bewegen sollten. Der Grund liegt darin, dass sich viele Betroffene verunsichert fühlen und Angst haben, etwas falsch zu machen. Jedoch, es gibt nichts Risikoreicheres als Bewegungsmangel oder Immobilität, denn zahlreiche Begleiterkrankungen werden dadurch erst entwickelt.

Verinnerlichen Sie folgende Sätze:

  • Es gibt nichts Risikoreicheres als körperliche Inaktivität.
  • Tun Sie das, was Ihnen gut tut.
  • Vertrauen Sie Ihrem Körper.
  • Beginnen Sie mit leichten Intensitäten und steigern Sie langsam.
  • Wählen Sie die Bewegungsform/Sportart, an der Sie Freude haben.

Wenn in diesen Beiträgen von „körperlicher Aktivität“ und „Sport“ gesprochen wird, geht es weniger um einen Leistungsgedanken. Alle Ratschläge und Trainingshinweise dienen dazu, die Leistungsfähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen und die Lebensqualität zu verbessern.

Ihr „Bauchgefühl“ – also das subjektive Belastungsempfinden – ist eine gute Grundlage für die Höhe der Intensität, mit der Sie sich körperlich betätigen können. Wenn Sie das Training als „etwas anstrengend bis anstrengend“ empfinden, liegen Sie im richtigen Bereich. Denn, auch anstrengende Intensitäten sind durchaus möglich. Gönnen Sie Ihrem Körper jedoch danach 1 – 2 Tage zur Regeneration.

Wenn Sie mit den ersten Bewegungsaktivitäten starten möchten, dann nehmen Sie folgende Hinweise als Grundlage für die Wahl Ihrer Bewegungsform:

  • Suchen Sie sich eine Bewegungsform oder Sportart aus, die Ihnen Freude bereitet! Nur so werden Sie auch längerfristig „am Ball“ bleiben!
  • Fragen Sie sich, ob Sie sich bei der Ausübung gut und sicher fühlen.
  • Beginnen Sie zunächst langsam: Starten Sie mit wenigen Minuten und geringen Intensitäten.
  • Hören Sie auf Ihr Körpergefühl. Wenn Sie merken, dass Sie sich überanstrengen, reduzieren Sie die Intensität. Planen Sie auch genügend Zeit zur Regeneration nach den Einheiten ein.

Grundsätzlich: Es gibt keine Sportart, die verboten ist! Je nach individueller Situation muss entschieden werden, welche Bewegungsform durchgeführt/erlebt werden kann.

Viel diskutiert ist auch das Thema „Radfahren“, bei dem eine Erhöhung des PSA-Wertes und damit eine negative Einflussnahme auf die Prostatakrebserkrankung befürchtet wird. Diese Aussage entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und ist so nicht haltbar! Tatsächlich kann es kurzfristig zu einem PSA-Anstieg durch den mechanischen Reiz auf dem Fahrradsattel kommen, der sich jedoch nach wenigen Tagen wieder normalisiert. Dieser Einfluss bedeutet nicht, dass damit die Prostatakrebserkrankung fortschreitet, sondern stellt einen völlig ungefährlichen und normalen biologischen Vorgang dar! Somit ist Fahrradfahren auch für Prostatakrebspatienten eine sehr empfehlenswerte Sportart.

Auch bei Knochenmetastasen ist körperliche Aktivität nicht nur machbar, sondern sehr zu empfehlen. Würden sich Patienten in solch einer Situation schonen, besteht zusätzlich die Gefahr, dass durch Inaktivität der Osteoporoseprozess beschleunigt wird. Das Ziel ist hier, durch regelmäßige Bewegung die Knochendichteabnahme zu blocken, um die notwendige Stabilität des Knochens möglichst lange zu erhalten. Im Folgenden sind einige Sportarten aufgeführt, die auch bei erhöhter Knochenbruchgefahr in Absprache mit dem behandelnden Arzt durchgeführt werden können:

  • (Nordic) Walking
  • Radfahren, Ergometertraining
  • Schwimmen
  • Gymnastik
  • Sanftes Krafttraining

Wenn Sie ein regelmäßiges Bewegungsprogramm in Ihren Alltag integrieren, werden Sie bemerken, dass Sie in verschiedenen Bereichen davon profitieren. Studien zeigen, dass die Dauer der Inkontinenz durch Schließmuskeltraining reduziert werden kann. Weiterhin können Sie Ihre körperliche Fitness durch Kraft- und Ausdauertraining steigern. Auch Ihr Herz-Kreislaufsystem und Ihr Körpergewicht (Körperzusammensetzung) werden es Ihnen danken! Nicht zuletzt werden Sie merken, dass Ihr Vertrauen in Ihre Leistungsfähigkeit und Ihr Selbstbewusstsein wieder zurückkehren können.

Hier sollten Sie keine anstrengenden körperlichen Aktivitäten durchführen

Es existieren natürlich auch Situationen, in denen intensivere Bewegung nicht angezeigt ist. Bei folgenden Symptomen sollte auf anstrengende körperliche Aktivitäten verzichtet werden:

  • bei Kreislaufbeschwerden
  • bei akuten Infekten, Fieber
  • bei starken Schmerzen
  • bei starker Übelkeit, Erbrechen
  • an den Tagen bei Gabe von herz- und nierenbelastender Chemotherapie; bei akuten Blutungen
  • bei Thrombozyten zwischen 10.000 und 20.000 (hier nur unter therapeutischer Kontrolle)

Bei verringerter Knochendichte sollten Sportarten mit erhöhter Sturzgefahr oder hohem Verletzungsrisiko gemieden werden (alpines Skifahren, Inlineskaten etc.). Hierzu gehören auch Kontaktsportarten oder Ballsportarten, sofern sie unter einem hohen Wettkampfcharakter durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang muss auch die Gefahr der Metastasierung berücksichtigt werden, insbesondere von Knochenmetastasen, da sie mit einer erhöhten Gefahr von Knochenbrüchen einhergeht. Hier sind regelmäßige ärztliche Kontrollen unabdingbar.

Aufgrund der Operation leiden einige Patienten an Inkontinenz. Einen Schwimmbadbesuch sollten Sie erst dann in Ihr Bewegungsprogramm einplanen, wenn Sie keine Probleme mehr haben Ihren Schließmuskel zu kontrollieren. Auch bei einem geschwächten Immunsystem (z. B. während der Chemotherapie) sollten Sie nicht in das Schwimmbad gehen.

Auch der psychische Zustand spielt eine große Rolle. Nicht selten berichten Patienten von starkem psychischen Druck, Verunsicherung und Ängsten. Schaffen Sie sich nicht durch ein zu strenges Trainingsprogramm eine zusätzliche Belastungssituation. Nicht jeder Tag ist gleich. Fühlen Sie in sich hinein und beachten Sie Ihre individuellen „Grenzen“.

Zu guter Letzt

Inzwischen gibt es auch Sportangebote speziell für Prostatakrebspatienten. Im Jahre 2007 wurden im Rahmen einer Studie unter der Leitung der Deutschen Sporthochschule Köln die ersten Prostatakrebssportgruppen ins Leben gerufen. Inzwischen gibt es in Deutschland etwa 50 dieser Gruppen, zu der jeder gesetzlich Versicherte Prostatakrebsbetroffene Zugang hat (siehe Adressen im Anhang). Dieses Angebot muss sogar von den gesetzlichen Kostenträgern finanziell unterstützt werden, dazu sind sie nach SGB IX § 44 verpflichtet. Fragen Sie dazu Ihre Krankenkasse.

Einige Selbsthilfegruppen des Bundesverbandes Prostatakrebs Selbsthilfe bieten ebenfalls Bewegungsprogramme an, die von Krankenkassen gefördert werden.

Kontakte und Adressen haben wir Ihnen >>HIER<< zusammengestellt

Sollten Sie unter einer Inkontinenz leiden, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihre/Ihren Urologin/Urologen und nehmen Sie zeitnah Kontakt mit einer Praxis für Physiotherapie auf, die auch ganz in Ihrer Nähe ist. Die besten Erfolge werden im 1. Jahr nach einer Prostata-Operation beobachtet, wenn Sie unter therapeutischer Kontrolle Schließmuskeltraining unter besonderer Berücksichtigung des Beckenbodens durchführen. Hier müssen Sie jedoch Geduld zeigen, nicht selten treten erste Erfolge erst nach sechs Monaten auf.

Nun noch ein kleiner Tipp: Machen Sie sich keine großen Gedanken darüber, ob Sie etwas falsch machen können oder nicht! Den größten Fehler, den man begehen kann, dass man sich unbegründet schont und damit zurückzieht. Vertrauen Sie Ihrem Körper und machen Sie das, was Ihnen gut tut! Damit können Sie gar nichts falsch machen! Denn das Wichtigste ist: Bleiben Sie in Bewegung!

Literatur

  • Bewegung und Sport bei Krebs. Der Blaue Ratgeber Nr. 48. Deutsche Krebshilfe.
  • Freerk Baumann. Die Macht der Bewegung. Irisiana Verlag 2009
  • Sport und Körperliche Aktivität in der Onkologie. Baumann, Jäger, Bloch (Hrsg.), Springer Verlag Medizin 2012
  • Bewegungstherapie und Sport bei Krebs. Baumann / Schüle (Hrsg.), Deutscher Ärzteverlag 2008

 

 

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