Früherkennung von Prostatakrebs

Weil bei einem Prostatakarzinom im Frühstadium die Heilungschancen groß sind, empfiehlt sich für die meisten Männer ab 45 eine Früherkennung mit Bestimmung des PSA-Werts und digitaler rektaler Untersuchung (DRU).

So lange Prostatakrebs noch lokal, das heißt auf die Prostata begrenzt ist, besteht die Möglichkeit zu einer kurativen (auf Heilung abzielenden) Therapie, zum Beispiel einer Operation (s. Radikale Prostatektomie) oder Bestrahlung (s. Strahlentherapie).

Allerdings verursacht ein solcher Tumor im Frühstadium nur selten Symptome wie Beschwerden beim Wasserlassen (s. Krankheitszeichen). Der Grund dafür ist, dass er meist weit entfernt von der Harnröhre in den Außenbereichen der Prostata entsteht (s. Entstehung und Formen). Er wächst jedoch in der Regel sehr langsam (s. auch Wachstum und Ausbreitung). Eine kurative Behandlung verspricht deshalb nur dann einen Überlebensvorteil, wenn die Lebenserwartung des Betroffenen noch mehr als etwa 10 Jahre beträgt. Diese hängt ab von seinem Alter und möglichen Begleiterkrankungen.

Ziel der Früherkennung ist es deshalb, lokal begrenzte, aggressive (rasch wachsende) Tumoren zu entdecken, und zwar bei Männern ohne Krankheitszeichen, die eine Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren haben. Hierzu verwendet man zunächst die Messung des PSA-Werts im Blut und die digitale rektale Untersuchung (DRU, Tastuntersuchung). Das Erheben der Anamnese (Krankengeschichte) kann zudem Fälle von Prostatakrebs in der Familie und damit ein erhöhtes individuelles Risiko aufdecken (s. Ursachen).

Betrachtet man die Gesamtheit aller Männer, so kann man wohl mittels Früherkennung deren Sterblichkeit an Prostatakrebs senken. Da aber viele an anderen Ursachen versterben, ist selbst bei intensiven Untersuchungen eine deutliche Senkung der allgemeinen Sterblichkeit nicht zu erwarten. Bei der Früherkennung werden jedoch auch Tumoren entdeckt, die ansonsten nie auffällig geworden wären (sog. Überdiagnose). Sollten diese behandelt werden, spricht man von Übertherapie. Um beides möglichst gering zu halten, wurden Empfehlungen für die Früherkennung (s. die folgenden Abschnitte) und das weitere Vorgehen (z. B. Diagnostik und Therapie) erstellt.

Screening (Reihenuntersuchung)

Bei einem Screening aller Männer mittels PSA-Test werden deutlich mehr Prostatakarzinome entdeckt als ohne eine solche Reihenuntersuchung. Viele davon müssen jedoch nicht behandelt werden. Nach verschiedenen Studien wird die Sterblichkeit an Prostatakrebs durch das Screening gesenkt oder nicht wesentlich verändert.

Es gibt also noch keinen Beweis dafür, dass der Nutzen des Screening für die Gesamtheit der Männer größer ist als ein möglicher Nachteil: Das Risiko, an einem Prostatakarzinom zu versterben, ist vermutlich etwas geringer. Dafür unterziehen sich aber auch Männer gegebenenfalls unnötigen und mit möglichen Nebenwirkungen behafteten Untersuchungen und Behandlungen (Überdiagnose und Übertherapie s. o.; s. hierzu auch Neues zum PSA-Screening). Mit dieser Begründung übernehmen derzeit die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Kosten für den PSA-Test zur Früherkennung nicht (wohl aber zur Verlaufskontrolle bei vorhandenem Tumor).

Individuelle Früherkennung

Im Unterschied zum Screening gibt es in Deutschland ein von den Krankenkassen getragenes individuelles Früherkennungsprogramm, das leider von Männern seltener genutzt wird als von Frauen (s. hierzu auch Selbsttest). Danach hat jeder gesetzlich versicherte Mann ab dem 45. Lebensjahr Anspruch auf eine jährliche Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs mit Anamnese und körperlicher Untersuchung, einschließlich Abtasten der Prostata (DRU).

Laut der aktuellen interdisziplinären S3-Leitlinie zum Prostatakrebs von 2018 sollen Männer, die mindestens 45 Jahre alt sind und eine mutmaßliche Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren haben, über die Möglichkeit zur Früherkennung von Prostatakrebs informiert werden. Die Altersgrenze ist um 5 Jahre vorzuverlegen, wenn das Risiko für Prostatakrebs erhöht ist (v. a. Prostatakrebs in der Familie, s. Ursachen). Der Arzt soll die Männer über die Vor- und Nachteile der Früherkennungsuntersuchungen umfänglich aufklären, besonders über die Aussagekraft von positiven und negativen Ergebnissen (s. dazu auch PSA-Bestimmung) sowie über gegebenenfalls sich aus der Diagnostik ergebende erforderliche weitere Maßnahmen (z. B. Prostatabiopsie).

Wenn Männer in der Hausarztpraxis den Wunsch nach Früherkennung mittels PSA-Bestimmung nicht äußern, sollen sie auch nicht aktiv angesprochen werden. Männer, die nach einer Prostatakrebs-Vorsorgeuntersuchung fragen, sind ergebnisoffen über die Vor- und Nachteile aufzuklären. Dabei sollen der mögliche Nutzen wie auch die Risiken (Überdiagnose und Übertherapie) in natürlichen Zahlen und auch grafisch dargestellt werden, ebenso die Aussagekraft von positiven und negativen Ergebnissen.

Früherkennungsuntersuchungen

Männern, die nach der Aufklärung eine Früherkennungsuntersuchung wünschen, soll der Arzt das Bestimmen des PSA-Werts als Untersuchungsmethode anbieten. Zusätzlich sollte er eine digitale rektale Untersuchung empfehlen (DRU, Abtasten der Prostata).

Die Kombination des PSA-Tests mit der DRU ermöglicht genauere Aussagen. Eine alleinige DRU gilt als unzureichend, weil sich ein Tumor nur bei bestimmter Lage und erst ab einer bestimmten Größe tasten lässt (s. hierzu auch Digitale rektale Untersuchung). Zudem ist die Aussagekraft von Studien zum Nutzen der DRU zu gering, um sie generell zu empfehlen. Sowohl die DRU wie auch die PSA-Bestimmung liefern jedoch auch so genannte falsch-positive Ergebnisse (auffällige Befunde, ohne dass Krebs vorliegt), so dass eine weitere Abklärung nötig ist (s. u.).

Der PSA-Wert muss quantitativ gemessen, seine Höhe also genau bestimmt werden. Hierzu gibt es Testsysteme diverser Hersteller, die sich in ihrer Kalibrierung (Eichung) und ihren Grenzwerten (z. B. 3,2 ng/ml oder 4,0 ng/ml) zum Teil bis zum Faktor 2 unterscheiden. Der Laborbericht muss demzufolge Angaben enthalten zum genutzten Testsystem mit Referenzwerten, wenn man das Ergebnis richtig beurteilen will. PSA-Teststreifen eignen sich dagegen nicht zur Früherkennung. Denn ihre Zuverlässigkeit ist zu gering, vor allem in dem für die Früherkennung wichtigen niedrigen PSA-Bereich. Außerdem liefern sie keine genauen Messwerte. Somit fehlt die Möglichkeit, den Verlauf der PSA-Werte zu überwachen (auch anhand der wichtigen Verdoppelungszeit, PSA-DT; mehr dazu s. PSA-Schnelltests).

Weiteres Vorgehen

Ein erhöhter PSA-Wert soll zunächst unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren kontrolliert werden (z. B. nach 6-8 Wochen). Dies gilt, wenn seine Höhe nicht mit dem Verlauf vorheriger Werte erklärbar ist und er weitere Untersuchungen (z. B. eine Prostatabiopsie) nach sich ziehen würde. Faktoren, die den PSA-Wert beeinflussen können, sind bei einer Kontrolle auszuschließen beziehungsweise vorher zu behandeln (z. B. Fehler bei der Lagerung oder beim Transport der Blutprobe, Vergrößerung der Prostata, Entzündungen oder Abtasten der Prostata; mehr dazu s. Einflüsse auf den PSA-Serumspiegel).

Eine Prostatabiopsie (Probeentnahme) soll empfohlen werden, wenn die Früherkennung mindestens einen der drei folgenden Befunde ergeben hat:

  • Ein unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren kontrollierter PSA-Wert ab 4 ng/ml bei der ersten Früherkennung (der Grenzwert kann je nach Testsystem etwas geringer sein). Bei jüngeren Patienten kann individuell auch ein (noch) geringerer Grenzwert maßgebend sein.
  • Ein krebsverdächtiger Befund bei der digitalen rektalen Untersuchung (Abtasten der Prostata, s. hierzu auch DRU).
  • Ein auffälliger PSA-Anstieg. Als auffällig gilt eine Anstiegsgeschwindigkeit (PSA-V) ab einem Bereich von jährlich 0,35-0,75 ng/ml. Dabei ist zu berücksichtigen, dass deren Berechnung verfälscht werden kann durch einen Wechsel des Testsystems und durch normale PSA-Schwankungen (v. a. bei niedrigem Grenzwert und kürzerem Abstand zwischen den Messungen; s. hierzu auch PSA-Anstiegsgeschwindigkeit).

Haben die Untersuchungen keine auffälligen Befunde ergeben und wünscht der Patient auch weiterhin eine PSA-gestützte Früherkennung, sollte sich der Abstand zur nächsten Untersuchung an seinem Alter und seinem aktuellen PSA-Wert orientieren. Selbstverständlich kann der Arzt gemeinsam mit seinem Patienten auch einen längeren oder kürzeren Abstand festlegen.

Für Männer ab 45 Jahren und einer Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren gelten folgende Abstände zwischen den Früherkennungsuntersuchungen:

  • PSA weniger als 1 ng/ml: alle 4 Jahre
  • PSA 1-2 ng/ml: alle 2 Jahre
  • PSA über 2 ng/ml: jedes Jahr

Für Männer über 70 Jahre und einem PSA-Wert von weniger als 1 ng/ml wird eine weitere PSA-gestützte Früherkennung nicht empfohlen (wegen ihres geringen Risikos, an Prostatakrebs zu versterben).

Bei sich aus DRU und PSA-Bestimmung ergebendem Verdacht auf einen Prostatakrebs ist die weitere Diagnostik nach umfänglicher ärztlicher Aufklärung des Patienten anzustreben.

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